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Ab Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland eine aristokratische Turnierkultur. Turniere waren zu dieser Zeit von den eigentlichen Schlachten kaum zu unterscheiden – sie waren eine simulierte Reiterschlacht, ausgeführt mit stumpfen Waffen. Der Turnierplatz umfasste oft mehrere Dörfer, die natürliche Beschaffenheit des Gebietes begrenzte den Kampfplatz der zusätzlich,um die Spannung zu steigern, noch mit Hindernissen versehen war. Wie in der Schlacht konnten Gefangene gemacht werden, die sich dann gegen Lösegeld freikaufen konnten. Pferde, Waffen und Rüstung waren legitime Beute des Siegers. Ein Verlust der zur Kriegsführung notwendigen Ausrüstung konnte die tiefe Verschuldung nach sich ziehen. Der Kampf war kein geordnetes Duell - die Mannschaften spornten ihre Pferde an und ritten mit gehaltener Lanze aufeinander zu. Wer sich nach dem Aufprall noch im Sattel befand wendete scharf (tournierte), um den Antritt zu wiederholen und den Gegner aus dem Sattel zu stechen. Schon nach dem ersten Aufprall ergab sich ein Knäuel von gestürzten Rittern und Pferden. Ritter stellten sich dann wieder auf die Beine, zogen ihre Schwerter, wurden nach schwereren Verletzungen davongetragen, gerieten in Gefangenschaften oder versuchten dieser zu entkommen.
Der Buhurt = Massenkampf
Der Buhurt wurde in geschlossenen Verbänden geritten und war ursprünglich mehr eine Parade, bei der es auf reiterliche Geschicklichkeit ankam. Nicht immer war es jedoch ein harmloses Schauspiel: Mit Lanze oder Schild versuchte man, den Gegner wegzudrängen oder vom Pferd zu stoßen. Dabei kam es häufig zu Arm- und Beinbrüchen, sogar Tote gab es mitunter.
Die Tjost = Einzelkampf
Zwei Gegner standen sich einzeln gegenüber und sprengten aufeinander zu. Dabei versuchten sie, sich gegenseitig mit der Lanze aus dem Sattel zu stoßen. War ein Kampf mit der Lanze nicht erfolgreich, schlug man mit Schwertern und Streitkolben aufeinander los. Solche, auf die Kampfunfähigkeit des Gegners angelegten Kämpfe, endeten oftmals auch tödlich. So sollen 1240 bei einem Turnier in Neuss 60 Knappen und Ritter auf dem Platz geblieben sein.
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Man kann Ritterturniere durchaus als sportliche Massenveranstaltungen bezeichnen. Die Turniere waren professionell organisiert, die Wettkämpfe wurden nach festgelegten Regeln durchgeführt und endeten mit einer Siegerehrung. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein "professionelles ritterliches Athletenwesen". Durchaus bekannt war, dass manche Ritter von "Sportschau zu Sportschau" reisten. Galt es doch ausgesetzte Preise wie Bär, Schwein oder Preisgelder zu erringen. Nicht selten erhielt der Sieger die ritterliche Ausrüstung seines Gegners oder gar noch ein dem Rang entsprechendes Lösegeld dazu. Wie notwendig Turniere als Einnahmequelle waren, ist durch William Marshall bezeugt: Da er als jüngerer Sohn ohne Lehnsbesitz geblieben war, zog er in Frankreich und England von einem Treffen zum anderen. Durch diese Tätigkeit wurde er einer der reichsten Männer Englands. Auf dem Totenbett soll er gesagt haben, er habe in Turnieren an die fünfhundert Ritter gefangen und ihnen Pferde, Waffen und Rüstungen abgenommen.
Hielten sich die Ritter so wie es die Standesethik vorschrieb an die Turnierordnung, konnte eigentlich nur der am besten trainierte Ritter den Sieg erringen. Auf dieses Ziel hin war jahrelanges hartes Üben mit kontinuierlicher Leistungssteigerung gerichtet.
Verfall und Ende des Turnierwesens
Während es in hochmittelalterlichen Turnieren um den Erwerb von Ehre ging, waren es im Spätmittelalter vor allem die wertvollen Preise, die Kämpfer anlocken. Die Funktion des militärischen Trainings und Einübung militärischer Tugenden ging in dem Maße zurück, wie die Ritterheere durch Söldnerheere ersetzt wurden. Das Turnier gehörte so eng zur Lebensform des Ritterstandes, dass die Auflösung der Lehnsherrschaft und die Ablösung des Ritterstandes durch das stärker werdende Bürgertum schon bald zum Ende des europäischen Turnierwesens führte. Das letzte Turnier wurde wahrscheinlich 1512 abgehalten.