Quelle: Sportbund Rheinland
Im Jahr 2014 begann der damalige Bundesfreiwilligendienstleistende beim Sportbund Rheinland, Felix Schönbach, mit den ersten Porträts. Bis Ende 2018 waren 13 Sportlerinnen und Sportler in die Regie der „Ruhmreichen Sportler“ aufgenommen. In diesem Jahr sollen sechs weitere folgend. Den Start macht Stefan Dott. Als Judoka aus Urmitz am Rhein schrammte er zweimal knapp an der Olympia-Medaille vorbei.
Im Leistungssport geht es nicht nur um das Gewinnen, sondern auch darum, mit Niederlagen umzugehen. Dies musste Stefan Dott bei den Olympischen Spielen erfahren. Der Judoka schrammte zweimal knapp an einer Medaille vorbei. Doch Dott hat daraus wichtige Lehren gezogen: „Mir ist es wichtig, dass ich aus den ganzen Höhen und Tiefen viele Erfahrungen weitergeben kann.“
Die Geschichte von Stefan Dott ist auch die Geschichte einer Judofamilie: Im Jahre 1966 fragten Dotts Vater Karl-Heinz und dessen Bruder Helmut beim SV Urmitz nach, ob der Verein Platz für eine Judo-Abteilung hätte. In den folgenden Jahren investierten die beiden viel Herzblut, um mehr Menschen für den Judosport zu begeistern. Zu Beginn trainierte man noch auf improvisierten Matten in einer Gaststätte, später zog man in die neue Peter-Häring Halle um. Die Trainingsgruppe zeichnete sich durch einen familiären Zusammenhalt und eine positive Leistungsorientierung aus. Stefan Dott wuchs quasi auf der Matte auf und kämpfte sich erfolgreich durch alle Nachwuchsklassen. „Der größte Erfolgsfaktor war die enge Verbindung zu meinem Vater. Er war nicht nur mein Trainer, sondern auch der Halt im Privaten“, hebt Dott die Rolle seines Vaters hervor.
Im weiterem Verlauf seiner Karriere sollte Dott auf weitere Förderer treffen, wie zum Beispiel den langjährigen Judo-Bundestrainer Han Ho-san. Dott ist überzeugt, dass er es ohne diese Menschen niemals bis zu den Olympischen Spielen geschafft hätte: „Man braucht immer wieder neue Bezugspunkte: Leute, die dich einerseits im Judo weiterbringen und dir andererseits auch persönlich Rückhalt bieten.“ Der Durchbruch im Herrenbereich gelang dem damals 21-jährigen Dott gleich bei seiner ersten Europameisterschaft im Jahr 1991. „An das Finale kann ich mich noch sehr gut erinnern. Das war emotional sehr aufreibend, weil ich in Prag gegen den Lokalmatadoren gekämpft habe“, beschreibt Dott seinen Erfolg gegen den Tschechen Josef Vensek. Der Titel lenkte die Aufmerksamkeit des Urmitzers auf die Olympischen Spiele im folgenden Jahr.
Die Qualifikation für Barcelona war allerdings keine Selbstverständlichkeit. 1992 trat erstmals in der Nachkriegszeit eine gesamtdeutsche Mannschaft an, was den Konkurrenzkampf für das Olympiaticket verschärfte. Dott konnte sich schließlich durchsetzen und feilte in Köln an seiner Form. Dort bereitete ihn der ehemalige Olympiasieger Frank Wieneke sowohl körperlich als auch mental auf die Besonderheiten eines olympischen Turniers vor. „Frank meinte: Stell dich drauf ein, dass es einfach anders ist. Wenn du am Podest vorbeiläufst und auf die Matte mit den olympischen Ringen trittst, dann fangen deine Knie an zu schlottern“, erinnert sich Dott an die Ratschläge, „aber das muss man irgendwie wegschieben und sich auf die Kämpfe konzentrieren.“
Nachdem Dott die ersten beiden Kämpfe für sich entscheiden konnte, machte er sich Hoffnungen auf einen Außenseitercoup im Halbfinale. Der Gegner dort war der favorisierte Japaner Toshihiko Koga, nach dem sogar eine spezielle Wurftechnik benannt ist. Der Kampf blieb für lange Zeit relativ offen. Doch als sich Dott einen minimalen Fehler erlaubte, zeigte Koga seine ganz Klasse: „Ich stand einen Moment ungünstig und als ich das realisierte war es eigentlich schon zu spät. Den Wurf bekommt nur Koga so hin. Diese Niederlage tut mir im Rückblick nicht weh, weil er einfach der bessere Kämpfer war und seine Chance nutzte.“
Während sich Koga im Finale zum Olympiasieger krönte, wollte Dott die Bronzemedaille erringen. Gegen den Israeli Oren Smadja setzte er dann aber unter dem Druck einer drohenden Passivitätsstrafe zu einem riskanten Wurf an und wurde prompt gekontert. „Das ist einer der beiden Kämpfe, die bis heute schmerzen“, resümiert Dott, „das Duell hätte ich gewinnen können, aber ich ging zu übermotiviert an die Sache.“ Eine Enttäuschung, die der junge Judoka erst einmal verkraften musste.
Nach den Spielen brauchte Stefan Dott einige Zeit, um sich neu zu fokussieren. Entsprechend durchwachsen begann der neue olympische Zyklus. Erst die Entscheidung vom Leichtgewicht ins Halbmittelgewicht zu wechseln brachte den Urmitzer wieder in die Spur. Mit einer guten Saison 1994 rückte Atlanta ins Blickfeld von Dott. Die Vorbereitung verlief wiederum problematisch: Dott konnte sich nur knapp gegen die interne Konkurrenz durchsetzen, weil eine Schulterverletzung seine Vorbereitung beeinträchtigte. Den körperlichen Nachteil versuchten Dott und sein Trainer Wieneke durch die gezielte Verbesserung im taktischen und mentalen Bereich zu kompensieren.
Entsprechend groß war die Überraschung, als Dott die ersten beiden Kämpfe des olympischen Turniers 1996 schon vorzeitig für sich entschied. Im Halbfinale stellte sich mit dem Franzosen Djamel Bouras ein besonders unangenehmer Konkurrent in den Weg doch zunächst schien Dotts Taktik aufzugehen: Der damals 26-jährige erzielte zu Beginn des Kampfes zwei Wertungen und musste die Führung eigentlich nur noch verteidigen. Das rief jedoch die Kampfrichter auf den Plan, die vorschnell Passivitätsstrafen an Dott verteilten und ihn somit unter Druck setzten. „Man glaubt ja nicht, wie lange 30 Sekunden für einen Judoka sein können“, erinnert sich Dott an die Schlussphase.
Kurz vor Ende des Kampfes verteilte einer der Kampfrichter eine weitere Passivitätsstrafe an Dott und entschied somit den Kampf zu Gunsten von Bouras. Eine Entscheidung, mit der Dott noch heute hadert: „Das bittere war: Der spanische Kampfrichter hat am nächsten Tag zu einem Kollegen gemeint, dass seine Entscheidungen in dem Kampf nicht gut waren. Das hilft dann natürlich nicht mehr.“ Im Finale setzte sich Bouras mit derselben Taktik gegen Toshihiko Koga durch, was nach dem Turnier zu Diskussionen und letztendlich auch zu Regelanpassungen führte.
Nur zehn Minuten nach dem Halbfinal-Aus wurde Dott wieder auf die Matte gerufen, um gegen den Georgier Soso Liparteliani um Bronze zu kämpfen. Für den sowohl körperlich als auch geistig ausgelaugten Dott viel zu früh. Er verlor den Kampf und damit auch die Lust auf die Olympischen Spiele. Statt weiter in Atlanta zu verweilen buchte er eine vierwöchige Reise nach Borneo. „Für mich war es schon am selben Tag klar, dass ich mit dem Leistungssport aufhören würde. Das waren schon bittere Momente“, reflektiert Dott. Trotz seiner Enttäuschung versucht der Urmitzer im Rückblick nicht die ganze Verantwortung auf die unglücklichen Umstände abzuwälzen: „Eigentlich muss man es schaffen, den Kopf auszuschalten. In manchen anderen Situationen schafft man das auch, nur gerade in dieser hat es eben nicht funktioniert.“
Nach dem Karriereende fokussierte sich Stefan Dott auf den Abschluss seines Studiums und die anschließende berufliche Laufbahn. Einige Lektionen aus dem Leistungssport konnte er auf seine zweite Karriere in der Energiebranche übertragen: „Man muss beharrlich an Themen dranbleiben, sich auf das Wesentliche fokussieren und eine gewisse Frustrationstoleranz entwickeln.“ Mit dem Leistungssport hat Dott mittlerweile seinen Frieden gefunden. Seine erfolgreiche Frau Raffaella Imbriani, die unter anderem Europameisterin und Vize-Weltmeisterin wurde, brachte ihn wieder mit dem Judosport und auch mit der Nachwuchsarbeit in Kontakt. „Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass ich von der Erfahrung im Positiven wie im Negativen ganz schön viel weitergeben konnte. Das hat mich mit dem Sport versöhnt. Mit größerem Abstand rücken dann die positiven Dinge in den Vordergrund“, berichtet der zweifache Vater. Mittlerweile steht auch Dotts achtjähriger Sohn auf der Judo-Matte und setzt damit die kleine Familientradition fort.
Ein Gastbeitrag von Felix Schönbach.
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